Hochhinaus

Die letzen drei Tage haben wir unsere neues Schulhaus eingeweiht. Auch wenn die Buchhändlerinnen und Buchhändler noch in den „alten“ Gebäuden unterrichtet werden, so hat dieser Wechsel auch für uns positive Folgen. Ich bekomme jetzt sofort ein PC-Zimmer für 24 Lernende und einen ruhigen Raum für eine stillende Schülerin – einfach, weil wir mehr davon haben.
Bei dem „Bildungsturm“ handelt es sich um ein hohes, weithin sichtbares Gebäude Berns; um das ehemalige „Swisscomgebäude“. Guter Werbung und sauberem PR ist zu verdanken, dass die Pressekonferenz ein bisschen Echo fand. (Schulen sind ja sonst vorwiegend auf schlechte Presse abonniert.) Alphornbläser und Jodlerinnen auf dem Dach, Akrobatinnen, die an der Aussenseite emporkletterten, Liftboys als Reiseführer, Schauspieler für die Unterhaltung und für Kreti und Pleti offener Unterricht zeigten Wirkung.
Unsere Schule ist teilweise privat, was zusammen mit dem Risiko auch mehr Freiheit bringt. Wenn wir wollen und es uns leisten können, drehen wir auf. Rein städtische oder kantonale Schulen haben diese Möglichkeiten nicht.
Es waren schöne Tage. Ich mag diese Kundenkontakte an Messen und Einweihungen sehr, weil sie so gut gelaunt daherkommen. Wenn ausnahmsweise geklagt wird, kann ich das leicht gerade biegen, weil ich die Leute ja live sehe und nicht am Telefon habe oder ich per E-Mail erklären muss.
Trotzdem bin ich jetzt erschöpft. Alle Ausbildungsrichtungen würdig zu vertreten, die ich nicht aus dem Alltag kenne (Drogistinnen, die kaufmännischen Profile, die Berufsmatura), erforderte Vorbereitung. Am Anfang war ich etwas unsicher, aber als mich die Eltern angehender Büroassistentinnen fragten, in welchem Fach ich diese denn unterrichten würde, war ich beruhigt.
Im Geschäftsbericht sind einige meiner Schülerinnen abgebildet (S. 8) und ich bin als Buchhändlerin zu Wort gekommen (S. 9), was mich freut. Diese Gelegenheiten, den Buchhandel als fortschrittliche und unverzichtbare Branche zu vertreten, ist ein wesentlicher Teil meiner beruflichen Motivation.
Für unsere Schule und uns Lehrerinnen hoffe ich, dass es bald wieder eine offene Tür gibt, es war genial! Ich habe die einzelnen Fächer und Lehrgänge in kürzerster Zeit näher kennen gelernt, als es via Lehrerzimmer, Arbeitsgruppen und Konferenzen je möglich gewesen ist.
Für Beschreibungen bin ich leider zu hundemüde, aber ich mag noch vier (vergrösserbare) Bilder zu posten.

  • Das Erste: Der Bildungsturm von alten Schulhaus aus gesehen.
  • Das Zweite und Dritte: Sprüche im Raum der Grundbildung.
  • Das Vierte: Ausblick aus dem neuen Turm.
  • Der Bildungsturm mit Jodlerin und Alphornbläser

    Infocorner Grundbildung zum Ersten

    Infocorner Grundbildung zum Zweiten

    Überblick

    Die Neuen kommen

    Ich mag didaktische Herausforderungen. Morgen beginnt der Einführungskurs für 44 neue Lernende im Buchhandel. Wir haben wieder welche aus dem Wallis dabei und ich bin dann wirklich froh, wenn die Züge durch den neuen Tunnel brausen und die Armen eine Stunde Anreisezeit sparen.
    Mein Part im Einführungskurs ist die erste Stunde mit den Themen:

  • Einführung in die Schule
  • Einführung in die Führung des Arbeitsbuches
  • Berührugnspunkte gibt es wenig. Das Arbeitsbuch (heute eher ein Ordner) im Lehrbetrieb muss geführt werden, während in der Schule das Führen von Ordnern freiwillig ist und diese auch nicht korrigiert werden (ausser Semesterarbeiten natürlich). Ich habe schon Leute erlebt, die ihre ganze Lehrzeit überhaupt nichts dokumentiert haben, weder in der Buchhandlung noch in der Schule und die Prüfung trotzdem geschafft haben, aus Stegreif und Praxis halt. Dokumentation ist nicht gerade eine Stärke des Buchhandels.
    Aber so kann ich ja keine Greenhorn-Stunde anfangen.
    Ich habe mir gedacht, ich bewege die jungen Leute ein wenig. Man stelle sich vor: Die sind zwischen 16 und 25 Jahre alt und sehen auf dem Programm, dass irgend eine Abteilungsleiterin die Einführung zur Einführung zur Einführung macht. Gäääääähn.
    Nun habe ich einen Postenlauf kreiert, damit die Einführung in die Schule nicht theoretisch, sondern praktisch passiert. Das Organigramm kann ich so kaum erklären, aber das ist wirklich nicht wichtig. Die Aufgabe wird sein, verschiedene Dinge herauszufinden und das versteckte Ziel natürlich, dass sie sich rasch die wichtigsten Bezeichnungen und Orte merken können. Zum Beispiel so:

  • Wo genau hat es einen Kopierapparat, den Lernende selber benützen können? Tipp: Schulhaus 1.
  • Das Sekretariat Grundbildung ist zuständig für Absenzen, Zeugnisse, Anmeldungen und Abmeldungen. Wann ist das Sekretariat Grundbildung geöffnet?
  • Besuchen Sie ein Klassenzimmer. An der Innenseite der Türe ist eine Liste aufgehängt. Was steht da und weshalb?
  • Für das andere Thema habe ich mir Arbeitsordner von frisch gebackenen Buchhändlerinnen geliehen und einzelne Seiten daraus kopiert. Die habe ich ganz klein zusammengefaltet und in Umschläge gesteckt. Die Umschläge hatte ich zuvor aus Verlagsplakaten gebastelt, bei denen die Wiedererkennungschancen gut stehen (Narnia, Harry Potter). Ich habe auch noch ein paar Kopien aus meinem eigenen Arbeitsbuch darunter gemischt, damit sie sehen, wie grün ich damals gewesen bin.
    Die vier Umschläge werden dann unter den 44 verteilt (ich erkläre anschliessend weshalb), die Zettel werden individuell gezogen und aufgefaltet. Meine Fragen werden sein: Worum geht es auf dieser Seite des Arbeitsbuches? Was hat die Buchhändlerin sich hier aufgeschrieben? Und warum?
    (Bei 44 Leuten darf man nicht alles in einem Stapel herumreichen, das dauert ewig bis der Letzte sein Blatt hat. Man muss pro Reihe oder Gruppe austeilen oder – noch besser – die Arbeitsplätze schon im Voraus samt allem Material bereit machen. Dann setzen sich die Zuhörerinnen und Zühörer nämlich auch gerade richtig hin und kleben nicht in den hintersten Reihen. Wenn es viel Material ist, sind Mäppchen zu empfehlen. Dann lesen sie nicht alles, während man redet, weil sie die Blätter nicht aus dem Mäppchen rausnehmen.)
    Mal sehen. Vielleicht ist das, was ich für diese Stunde vorbereitet habe, zu schwierig oder zu leicht oder zu kurz oder zu lang. Hauptsache nicht langweilig.

    Am Morgen danach

    Reich beschenkt! Am Morgen nach der Abschlussfeier

    Gestern war unsere Abschlussfeier. Hach! Soche Anlässe gehören eindeutig zu den „Ups“ in der Lehrerinnenlaufbahn. Ich wurde reich beschenkt. Von einer Klasse habe ich ein T-Shirt mit meinem Stundenplan-Kürzel drauf bekommen „META“. Auf der Rückseite steht:
    -crawler
    -llic
    -morphose
    -pher
    -phrase
    -physik
    -plasmus
    Das hat mich sehr gefreut, weil ich an diesem Kürzel hänge, aber (leider) mit meiner Beförderung ein neues kriege: „ME“.
    Von der anderen Klasse habe ich ein Krönchen bekommen. Ein Schüler hat’s mir aufgesetzt und – ebenfalls in Anspielung darauf, dass ich den Abteilungsleiter ablöse – gesagt: „Der König ist tot, es lebe die Königin.“ Das hat mich ehrlich gerührt.

    Interview mit dem Chef

    Büchergestell im Büro

    Es gibt etliche Unterschiede zwischen deiner Buchhändlerlehre und der heutigen Lehre. Was beschäftigt dich davon am meisten? Was freut dich, was enerviert dich?

    Mich freut vor allem, dass unsere Lehre wesentlich vielseitiger ist. Sehr viel allgemeinbildender, sehr viel fachbezogener, also eine Lehre, die auf alle Facetten dieses Berufes vorbereitet.
    Was mich enerviert, ist die lasche Disziplin. Das ist im Wesentlichen mein Problem – vermutlich. Wir leben in einer anderen Zeit. Gott sei Dank. Aber wir prägen die Zeit und nicht die Zeit uns. Deshalb meine ich, etwas mehr Diziplin, vor allem Selbstdisziplin, könnte nicht schaden. In meiner Lehrzeit war ein Befehl ein Befehl, ob vom Lehrer oder vom Chef, es wurde nicht diskutiert. Wenn der Chef sagte, um zwölf bist du da, dann war ich da. Auf die Minute.
    Wenn er sagte, heute Abend ist ein interessanter Vortrag im Gürzenich, dann ging ich hin. Der brauchte nicht zu bitten. Die Bemerkung allein genügte, auch wenn der Vortrag in meiner Freizeit stattfand.

    Büchergestell im Büro

    Das Interview ist diese Woche in der neusten Nummer unserer Schulzeitung erschienen. Und es wird offenbar gern gelesen, ich wurde in der kurzen Zeit schon von ganz verschiedenen Leuten darauf angesprochen. Das Ganze ist ab Seite 4 im „Pegasus“ Nr. 83 zu lesen. Titel: „Manchmal auf Umwegen, aber eigentlich immer.“

    Monsun in Bern

    Seit Wochen Gewitterstürme, Nieselregen, Himmelschwarz und Hagelkörner, dazwischen einen halben Tag Sonne und dann binnen fünf Minuten wieder Orkan. Bevor ich morgens die Wohnung verlasse, drappiere ich Frotteetücher unter den heiklen Stellen des Flachdaches, schliesse Balkonlamellen und Fenster und kratze Spinnenleichen und Oleanderblätter aus den Abläufen. Weil ich mir dann nicht mehr sicher bin, ob ich auch wirklich alles gut hinterlassen habe (Stadtneurotikerin halt), verbringe ich meine Mittagspause damit, zwischen Regenfäden auf verspätete Busse zu warten, damit ich noch einmal zu Hause überprüfen kann, ob auch alles in Ordnung ist. Die Bügelfalten sind ohnehin schon rausgewaschen, die Schuhe sind sowieso ruiniert, der Regenmantel hängt zentnerschwer und den Schirm hat der Wind zerstrört.
    Die Busstation kann ich manchmal gar nicht mehr anpeilen, weil die Erde von Brünnen drumrum alle Kanäle versopft und sich das Wasser mindestens knöchelhoch staut. Bis ich über erhöhte Umwege die übernächsten Haltestelle erreiche, platzen bereits die Blasen an den Füssen. Und was am Hauptbahnhof – der anderen Grossbaustelle Berns – wartet, sind nicht Pfützen, sondern Teiche.

    Gewitterzeit

    [Doppelregenbogen. Vergrössern geht.]
    Letzten Donnerstag haben der Chef und ich die Putzequippen des Schulhauses angebettelt, wenigstens die Jeans der Schülerinnen in ihrem Tumbler trockenen zu dürfen. Die Lernenden reisen ja von weit her an (Basel, Brig, Luzern..) und haben baubedingt einen längeren Fussmarsch zwischen Bahnhof und Schule zurückzulegen. Sie waren teilweise derart aufgeweicht, dass ein Trocknen der Kleider an ihrem Leib schon fast als fahrlässig bezeichnet werden musste.
    Und nach dem Unwetter erzählte man sich von einer Deutschlehrerin, die die sekundenschnelle Verdunkelung vor der Klasse mit den Worten kommentiert hatte: „Immerhin verbringen Sie die letzten 10 Minuten Ihres Lebens mit etwas Sinnvollem.“
    Es ist Zeit, sich auf Monsun einzurichten. Von der Schule zur Verfügung gestellte Kleidung und Garderoben wären eine saubere Lösung. Klimawandel: Ein weiteres Argument für Schuluniformen.

    Futura 2007

    Diese Woche ist praktische Prüfung. Wie die abläuft, habe ich 2006 geschildert. Letzte Woche habe ich die theoretische Prüfung abgenommen, was 20 Studen Fragestellung von Handelswegen über Marketing bis zu den unbeliebten Kennzahlen bedeutete.
    Diese Woche brauche ich nur gut zuzuhören, zu protokollieren und hin und wieder zu fotografieren. Und viel Neues lernen, das mach‘ ich natürlich auch. Im normalen Leben gebe ich mich der Illusion hin, den Überblick über die Neuerscheinungen zu haben. In diesen Prüfungstagen komme ich zurück auf den Boden und erkenne meine Ahnungslosigkeit.
    Futura 2007
    [Mehr Bilder in unserem Forum. ]

    Es ist (wieder einmal) die Zeit,

    Ausschnitt Klassenfoto 2007
    wo zwei aufgeweckte Klassen unsere Schule verlassen. Wie im Vorjahr haben zum Glück alle Arbeit gefunden oder andere Pläne. Und unsere schwangere Lernende hat gerade ihr Kind bekommen. Dank grosser Eigenleistung und angemessenem Goodwill konnte sie vorher das 2. Lehrjahr offiziell beenden. Nun macht sie Sommerpause und steigt im 3. Lehrjahr wieder ein.
    Es läuft also alles rund. Jetzt noch einen Monat Prüfungen, Notenkonferenzen, Abschlussfeiern, Zeugnisse und Durchhalteparolen für die jüngeren Jahrgänge – dann sind Ferien.
    Auf das neue Schuljahr hin werde ich von der Teil-Abteilungsleiterin zur Voll-Produkteleiterin befördert und sollte ein eigenes Büro bekommen. Das hatte ich im Leben noch nie. Ein Quantensprung.

    Tant mieux

    Ich habe alle Tests, die vor Ostern von meinen Lernenden verpasst wurden neu erstellt, durchgeführt und korrigiert. Es hatten viele gefehlt. Die Sachbearbeiterin im Schulsekretariat hat mir gestern erzählt, neun von zehn Lernenden, die sich morgens krank melden würden, hätten Tests oder Referate halten müssen. Würden wir also das Berufschulrad dreissig Jahre zurückdrehen – was mein Chef immer gerne mal wieder propagiert – keine Empfehlungsnoten mehr geben, weder Referate noch Gruppenarbeiten durchführen und einfach Frontalunterricht abhalten – wenn also nichts mehr zählen würde ausser der Lehrabschlussprüfung, könnten wir die Krankheitsfälle vermutlich drastisch reduzieren. „Old School“-Unterricht im Sinne der Volksgesundheit.
    Daneben habe ich vergangene Woche ein paar Berge von Wäsche und E-Mails versetzt, mehrmals eingekauft da Etliches vergessen, geputzt, die staubigen Betten gelüftet und von fünf Sitzungen zwei geleitet und drei protokolliert. Das Update der Quartierwebsite habe ich ewig hinausgeschoben, ja, gar eine Aversion dagegen entwickelt, weil ich die Aufträge per Mail, per DVD im Briefkasten, auf Fresszetteln und per Telefon erhalten und den Überblick völlig verloren hatte. Der Mann hat mir zwar heute Abend sehr nett beim Aufdröseln geholfen, doch als ich endlich startbereit war, fiel mir ein, dass der Hoster das ganze Wochenende für Erneuerungen braucht und nicht einmal mehr seine eigene Website funktioniert. Tant pis.
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    Spickzettel

    Wie jeder weiss, gibt es unzählige Möglichkeiten zu spicken. Für Spickzettel strengen ganze Generationen ihre Hirnzellen gegenüber dem Unterrichtsstoff um ein Vielfaches an. Ich habe damit zwar kein moralisches Problem, verzichte aber an dieser Stelle auf ein Ranking der besten Spick-Ideen. Denn das gibt es ja schon in verschiedensten Schülerforen. (Allerdings wüsste ich von keiner Website, auf welcher Lehrer und Lehrerinnen sich dazu äussern, was gute Spickzettel sind. Und das wäre ja eigentlich die Goldgrube.)
    Spickzettel sind bekanntlich das Resultat geschlossner Fragen. Sie eignen sich für Definitionen, Jahrzahlen, Formeln, Zitate. Wer Zusammenhänge aufzeigen oder gute Aufsätze schreiben soll, profitiert nur mässig.
    Jedenfalls habe ich mich mit einer Klasse richtig amüsiert. Alle meine sechs Klassen schreiben nämlich diese Woche Tests, die Parallelklassen zum gleichen Thema. Bevor ich heute die Tests austeilte, machte mich eine Schülerin darauf aufmerksam, dass auf ihrem Pult ein Spickzettel zu eben diesem Thema stehe, der dann „im Fall“ nicht von ihr sei. Da ich kein Putzmittel zur Hand hatte, habe ich mir den Spicker kurzerhand (zwecks Chancengleichheit) 1:1 an die Tafel diktieren lassen:

    LUG: Auskunft: häufigkeit Zeitraum verkauf
    WWS: überprüfen Beständ bis Verkauf

    Da im Test die Frage:

    Worüber gibt die LUG Auskunft? Erklären Sie kurz theoreitsch.

    und auch die Frage:

    Schreiben sie vier Stichworte zum Vorteil des WWS auf.

    vorkamen, war dieser Spickzettel eigentlich ganz gut geplant. Was zeigt, dass ich frage, was ich ankündige, was mir wiederum Lehrerinnenkarmapunkte bringen sollte.
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