Kopfwehpause…

… unbekannten Umfangs.
Spätestens nach einer Viertelstunde am PC beginnt’s zu hämmern. Seit Tagen schon.
Ja, da hatte Arthur Schopenhauer recht:

Wir fühlen den Schmerz, aber nicht die Schmerzlosigkeit; wir fühlen die Sorge, aber nicht die Sorglosigkeit; die Furcht, aber nicht die Sicherheit.

Nur, damit ich es nicht vergesse

Tippen von mündlichen Prüfungsfragen in Sortimentskunde 1995

Hier ein visueller Hinweis an mich selber, wie ich vor 13 Jahren – wenige Wochen nach der Geburt vom Kind – mündliche Prüfungsfragen getippt habe. Das Fach, welches ich mit meinem Chef mündlich zu prüfen hatte, hiess „Sortimentskunde“ und war voller Fragen, die wir heute nicht mehr für möglich halten würden: Nennen Sie drei Kunstverlage. Welche Standardwerke empfehlen Sie einem Kunststudenten zu Semesteranfang? Welche Verlage sind auf Philosophie spezialisiert? Nennen sie zwei philosophische Reihen für Laien. Unterscheiden Sie Sach-, Fach- und wissenschaftliche Bücher am Beispiel der Haustiere etc. etc.
Heute ist mein Fach die „Betriebs- und Verkaufskunde“ (aber auch das nur noch bis zur nächsten Reform in einem Jahr) und weil ich jetzt in dieser Sache der Chef bin, frage ich nur noch offene, individuelle Fragen, welche ich mit wesentlich weniger Muskelkraft auf einer ergnomischen Tastatur eintippe. Das Kind schlottert mit anderen ManU-Fans dieser Welt dem Elfmeterschiessen entgegen obwohl es eigentlich schon viel zu spät und morgen Schule ist.

Ranking der Dienstleister

Dienstleister 2008 Allensbach

Wir machen uns. In der Schweiz sind die Erhebungen etwas älter aber ähnlich gut wie in Deutschland (Quelle: Buchreport).
Auch die Onlineshops der Buchhandlungen scheinen sich zu entwickeln und vielleicht doch noch einmal zu etablieren.

Wir sehen das Internet nicht als Konkurrez, sondern als Option für guten Service. Mit unserem Online-Shop sind wir logischerweise in Reutligen sogar schneller als Amazon und in den übrigen Städten nicht langsamer.

Meint Hermann-Arndt Riethmüller von der Tübinger Filiale Osiander im „buchreport express“ vom 8. Mai 2008. Schön, wenn die Kundschaft das auch mitkriegt. Wie oft höre ich, man würde den regionalen Buchhandel gern berücksichtigen, aber Amazon sei halt so praktisch.
Der-regionale-Buchhandel-hat-auch-Warenkörbe! In der Schweiz sogar gleich lang wie Amazon; seit elf Jahren! Warum wir das unseren Kunden eine Ewigkeit nicht verklickern konnten, wäre eine seriöse Analyse wert. (Es modern Dutzende Werbsprüche zu dem Thema in meiner Schublade vor sich hin. Immer noch besser als Romanmanuskripte.)
Osiander wurde übrigens 2006 vom Wirtschatsministerium Baden-Württemberg in „Vorbildlicher Kundenfreundlichkeit“ ausgezeichnet. Das sollte uns mal passieren in der Schweiz. Bei uns rechnet der Wirtschaftsminister den Steuerausfall durch den ermässigten Mehrwertssteuersatz für Bücher direkt und in Franken der Kulturförderung zu. (Dass er Ähnliches bei anderen Branchen mit ermässigtem Mehrwertssteuersatz macht, wäre mir nicht bekannt.)
Aber so kommen wir wenigstens nie auf den Gedanken, uns zurückzulehnen. Politisch gestählt, dienstleisterisch innovativ und kalkulatorisch mutig sind wir bereit für das nächste Ranking.

Vom Dünkel zurück zum Bewusstsein

Vom Redaktionschluss unserer Schulzeitung „Pegasus“ bis zum Versand leide ich immer etwas unter Schreibstau. Die neue Nummer hat das Thema „Standesdünkel und Standesbewusstsein“, weil sich sowohl Lehrerinnen wie auch Buchhändler regelmässig mit dem Überheblichkeitsvorwurf konfrontiert sehen. Auch die Einstellung der Buchausgabe des Brockhaus, die Überlegungen der diesjährigen Lehrabgängerinnen zu ihrem Beruf und die konsternierte Mailnachricht einer Ehemaligen aus den USA, es kenne dort niemand Schiller und Goethe, schienen mir ein guter Anlass für Beiträge zum Thema. Die Onlineversion von „Pegasus“ Nr. 89 erscheint am Montag, ich werde den Link nachreichen. (Nachtrag 19. Mai: Voilà, Pegasus 89 online.)
Aus dem Editorial:

Hin und wieder werde ich auf den Standesdünkel der Buchhändlerinnen angesprochen. Und auf den der Lehrer. Und ich will gar nicht opponieren, das Körnchen Wahrheit ist leicht auszumachen. Auch bei mir.
Standesdünkel kann nur entstehen, wo Standesbewusstsein war. Standesbewusstsein bedeutet Identifikation mit einer Branche, ihren Produkten und Dienstleistungen.
Doch in Berufen, in denen es an Anerkennung mangelt, ist es schwierig, bescheiden zu bleiben; Selbstlob liegt nahe. Ich will damit nicht den Dünkel entschuldigen, sondern zu mehr Wertschätzung für die Leistung anregen, die Menschen im Buchhandel und in der Bildung erbringen.

Ich weiss, die Argumentation beinhaltet zu viele „Wenn“: Wenn der Lehrerberuf wieder angesehener wäre, wenn die Buchhändlerinnen besser bezahlt würden, wenn beide Berufssparten endlich regelmässige Mitarbeitergespräche einführen würden, wenn für gute Produkte in Bildung und Buchwelt auch Geld ausgegeben und nicht immer nur gespart würde etc. etc.
Trotzdem. Ein bisschen mehr Lob kost‘ ja nix. Und ein Anlass lässt sich bestimmt ab und zu finden.

Lesegedanken

Obwohl ich viele Jahre für die DEZA gearbeitet habe, habe ich mich an Katastrophen überhaupt nicht gewöhnt. Ich bin überfordert und ertrage Mitmenschen mit Kopiererproblemen in Trauer über einen verlorenen Meistertitel schlecht.
Sicher gibt es viele Argumente dagegen, den eigenen Alltag von burmesischen oder chinesischen Desastern beeinflussen zu lassen. Intellektuelle Argumente sind häufig:

  • Der heutige Betroffenheitskult (meistens aufgrund von Bildern, die nicht selten lügen)
  • Der heutige Empörungskult (weil diese Saaten wahlweise zu unterentwickelt und arm oder zu machthungrig und korrupt sind)
  • Irgendwo auf der Welt ist immer eine Katastrophe, auch wenn niemand darüber berichtet (worüber sich die echten Engagierten jeden Moment im Klaren sind)
  • Nun, ich erlaube der Katastrophe trotzdem, mich zu beschäftigen. Ich lese Newsletter genauer, chinesische Erzählungen wieder, ich fahnde in meiner Bibliothek nach asiatischen Gedichten und finde aussergewöhnliche Geschichten. Ich überlege, ob in den von aller Hilfe abgeschnittenen Ortschaften wenigstens ein Where There Is No Doctor ist? (Übrigens einer der unbekannten Bestseller auf dem internationalen Buchmarkt, in zahlreiche Sprachen übersetzt.) Und morgen besorg ich mir ein Buch, welches schon länger auf meiner Sachbuchleseliste steht.
    Ich weiss, dass Lesen allein nichts nützt. Aber Wissen taugt nicht nur zur Macht, sondern ebenso zum Mitgefühl. Lesen kann eigene Probleme relativieren und zum Handeln motivieren ohne andere mit Betroffenheits- und Empörungskult zu belästigen. Aber auch dazu ist schon aus berufenem Munde geschrieben worden.

    Zwischen Arbeits- und Feiertag

    Die Pfingsttage scheinen nicht länger Feiertage, sondern einfach ruhigere Arbeitstage zu sein. Jedenfalls in meiner Region. Die Lehrerinnen und Leher schicken gleich viel Fragen wie an einem normalen Bürotag und auch die Lehrlinge sind an der Prüfungsvorbereitung und erkundigen sich laufend nach diesem und jenem. Gestern (während des Nachtessens) hat mich der Operateur der Aula angerufen, die ich für die Abschlussfeier im kommenden Juli gemietet habe, um mich zu fragen, ob ich den Beamer und den Projektor gleichzeitig oder hintereinander brauche? Mit der Agentur, die den Geschäftsbericht unserer Schule schreibt, habe ich abends problemlos in Sprechzeit hin- und hergemailt. Heute ist der Mann im Büro, das Kind mit Freunden unterwegs und ich trage meine ehrenamtilichen Pendenzen seit Weihnachten ab. Aber nur halbtags. Den Rest gehe ich an die Sonne.
    Nun, Geistlichkeit und Einkehr scheinen christliche Feiertage nicht mehr zu liefern. (Für derlei Skills ist inzwischen der Dalai Lama zuständig.) Mich stört das hauptsächlich wegen des Zugzwangs, in welchen ich komme, weil ich die Anhäufung von Arbeit fürchte, was wiederum allein mein Problem ist.
    An Sonntagen habe ich das Problem übrigens auch. Ich selber und viele andere schieben die Pendenzen, für welche sie ungestört sein müssen, auf den 7. Tag und generieren damit wieder Pendezen für Dritte, die dann die Woche nicht mit der bestehenden To-Do-Liste beginnen können, sondern diese als erstes um neue Punkte ergänzen müssen.
    Aber ich bin sicher, dass sich das wieder einmal ändern wird, weil irgendwer damit anfängt. Wie beim Lunch. Bis vor einem Jahr hatte ich oft Arbeitslunchs mit Entscheidungen und wieder neuen Pendenzen. Heute mache ich Lunch nur noch für Arbeitsbekanntschaft und Freundschaft. Ich dachte, das funktioniere nie im Leben und habe sicher einige Leute vor den Kopf gestossen. Doch meine ehrlich gemeinte Entschuldigung, dass ich während des Essens furchtbar schlecht entscheide und Aufträge rasch wieder vergesse, stösst meistens auf Verständnis, teils sogar auf Dankbarkeit.

    Addio a Malerba

    Luigi Malerba, die nachdenklichen Hühner im Quartheft

    Auf einer Versammlung hinter verschlossenen Türen hatten die Hühner den Entschluss gefasst, Gargantua und Pantagruel von Rabelais auf den Index zu setzen, weil darin behauptet wurde, der beste Arschwisch der Welt sei ein lebendiges Küken. Ein literarisch gebildetes Huhn meldete sich zu Wort und sagte, Gargantua wische sich den Hintern mit einem kleinen flaumigen Gänserich ab und nicht mit einem Hühnerküken, so dass man das Buch nicht auf den Index zu setzen brauche.

    Das schreibt Luigi Malerba (11. November 1927 – 8. Mai 2008) in: Die nachdenklichen Hühner, im Original 1980 unter dem Titel: Le galline pensierose erschienen.
    Ich hatte in meinen 15 buchhändlerischen Verkaufsjahren zahlreiche Begegnungen mit Luigi Malerba in Buchform. Ich habe ihn immer gern gelesen und empfohlen und bin froh um das, was er uns hier gelassen hat. Um die Hühner ganz besonders. Die eitlen, frommen und grössenwahnsinnigen ebenso wie die geometriebegeisterten, philosophischen und perversen.
    Weiter lesen:
    – Aktuelle Ausgabe „Die nachdenklichen Hühner“
    – Klaus Wagenbach erinnert sich
    – Kurzbiografie
    – ADDIO ALLO SCRITTORE LUIGI MALERBA
    – Wikipediaeintrag mit gutem Werkverzeichnis

    Lebenspartnerleistung

    Bezahlst du bitte heut’ noch die Rechnung für diese Tagung, sonst krieg ich kein Eintrittsticket Ich habe denen versprochen, dass du eine Torte backst, aber lieber Früchte als Schokolade Du, meine Fahrradkette – könntest du die ölen und wenn du schon dabei bist auch noch die Türe zu der Speisekammer Warum zum Donnerwetter bring ich die Bilder aus dem Brennkorb nicht auf diese CD-R Ich habe mein Zugbillett in die Innentasche deiner Jacke gesteckt, weil ich selber keine hatte, hilf mir, dran zu denken Niemand im Büro kann diese Formatierung ändern ohne die Tabellen zu verschieben, schaust du schnell es eilt furchtbar Was ist nun mit dieser Einladung, der Text ist parat aber das Layout geht nicht Muss nicht das neue Bügeleisen regelmässig durchgespült werden Meiner Mutter ihr Blog hat ein Problem Kannst du dieses Mail einmal lesen, spinne ich oder spinnen die Meine einzige Bluse, die für morgen geht ist noch in der Wäsche, die eeeinzige Bitte korrigier‘ einmal unvoreingenommen diese zwei Antworten, ich meine, man kann das so oder anderes verstehen Ich habe eine Kiste Bücher, die morgen in der Schule sein muss Merkt denn keiner, dass das Magenta leer ist Ich glaub ich werde krank, bitte hol mich ab Ich habe angeboten, die Kinder könnten bei uns essen, sie werden hungrig sein aber ich bin ja an einer Sitzung Ich stehe hier an dieser Sch*-Ecke in Zürich und ich find‘ die Adresse nicht, weisst du wie peinlich kannst du rasch im Twixtel Wie heisst noch der Wein, der heisst wie ein Vogel Hast du schon gesehen, der Scanner blinkt so komisch –
    Danke.

    Berufsbildung ist mir nie langweilig

    Was ich an Meetings mit Menschen aus der Berufsbildung so schätze, ist zum einen die gegenseitige Motivation. Und mag das Wort noch so abgehalftert sein, für Anlässe wie den heutigen passt es genau. Man klopft einander zwar schon ein wenig auf die Schulter, aber alle wissen, dass das erst der Anfang war, dass nun geburtenschwache Jahrgänge kommen und Frimen um Lernende buhlen werden, dass die Volksschule uns weder Integration noch Begabtenförderung wird abnehmen können und dass noch tausend gute Ideen ihrer Verwirklichung harren. Das spornt an.
    Zum anderen erfreue ich mich an solchen Tagungen gerne der Eintracht. Leute, die mir weit entfernt sind, Branchen, denen ich politisch misstrauisch gegenüber stehe oder gar Berufe, von denen ich kaum wusste, dass es sie gibt: alles interessiert mich. Vielleicht haben die etwas Neues versucht, was auf den eigenen Beruf, die eigene Schule oder Abschlussprüfung übertragbar wäre. Vielleicht haben sie eine Krise überwunden oder eine Lernplattform getestet, ein neues Modell für die Frauenförderung entwickelt oder sie erzählen einfach nur mit loderneder Leidenschaft davon, wie die Arbeit an Flügelhinterkanten (betrifft alle Klappen und Ruder wie ich seit heute weiss) in den Lehrplan integriert wird.