
an welchem ich die Lehrmeisterinnen Ausbildungsverantwortlichen begrüsst habe. Es war das erste Jahr so ganz richtig mein eigenes Programm. Ohne ein kleines Lifting unserer Website mit aktuellen Bildern konnte ich nicht antreten, dafür die angemessene Dekoration des Treppenaufgangs dem Chef delegieren.
Es sind wirklich viele gekommen, über fünfzig Leute: Lernende (weil sie ja darüber erzählt haben, wie es ist, eine Art Sonderfall zu sein), Kolleginnen und Kollegen (weil ich wirklich intensiv darum gebeten habe) und eben die, die ausbilden (freiwillig, sogar aus dem Wallis).
Für mich war es ein guter und ein schöner Abend, aber was kann ich dazu schon sagen? Nach solchen Anlässen müsste man einfach viele, viele Antennen in der Buchhandelswelt draussen haben. Doch mit Gossip hat sich Schulz von Thun leider nicht befasst.
Gute Nacht, vernachlässigtes virtuelles Leben.
Kategorie: In der Lehre
Aus dem Schulzimmer
Heute gemacht
Heute war ich mit dem 1. Lehrjahr im Schweizer Buchzentrum. Zum Glück hat es nicht geregnet. (Das klingt nach Schulaufsatz. Aber wer mal mit einer Meute junger Leute in abgelatschten Turnschuhen, Ballerinas und Stiefeletten durch die Pfützen der Gewerbezone Hägendorfs gelaufen ist und dann immer noch einen einigermassen guten Eindruck beim Gastgeber hinterlassen wollte, hat vielleicht Verständnis.)

Es war eine gute Exkursion mit einem ansehnlichen Programm. Doch es gibt noch viel Arbeit zu tun. Ich habe Vierergruppen für ein Thema eingeteilt, weil es unmöglich ist, im ersten Lehrjahr mehrere Stunden mitzuschreiben. Diese Gruppen werden je ein Thema erarbeiten und der übrigen Klasse vermitteln. Damit ich die Entwürfe der Schülerinnen einigermassen kompetent korrigieren und nachher gutes Material daraus generieren kann, musste ich mir den ganzen Nachmittag alles – von Organigramm über Datenbanken bis zur Materialflussrechnung – seriös notieren. Das sind die Momente, in denen ich um jede Stunde Berufserfahrung froh bin und wirklich nicht mehr jung sein möchte.
Wie weiter nach der Lehre?

Jedes Jahr organisieren ich und meine Kollegin einen Perspektiven-Halbtag für die Lernenden der Abschlussklassen. Ich möchte niemandens Vorurteile gegen Jammerlappen-Lehrer bestätigen, indem ich sage, dass sowas sehr viel vorzubereiten gibt. Aber es isso; siehe Programm.
Eine Berufsfachschullehrerin hat für eine Halbzeitstelle mindestens 100 Schülerinnen und Schüler, welche sie maximal 2×45 Minuten wöchentlich sieht und welche sich untereinander auch kaum begegnen. Erfahrungen von Lernenden und noch ein paar Ehemaligen kurzzuschliessen, ist daher kein Kinderspiel. Mit den Lektionen müssen wir ein wenig schummeln, weil ja legal keine Klasse einen halben Tag zu Gesicht zu bekommen ist. Doch in weniger Zeit ist das Leben nach der Lehre unmöglich zu planen.
Jedenfalls haben wir das heute wieder gemacht. Und es war wieder ein Erfolg. Nach Jahren Berufserfahrung verblüfft es mich immer noch zuzuschauen, wie sonst Desinteressierte in solchen Stunden, in denen sie ganz offensichtlich für das Leben lernen, auftauen.
Ebenfalls schön war die positive Bilanz der Gewerkschaftsvertreterin, was unsere Arbeitslosenzahlen angeht. Die Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz ist auf 4% gesunken, womit wir im europäischen Vergleich vorbildlich dastehen. Die Arbeitslosigkeit bei Buchhändlerinnen liegt noch darunter.
Es gibt am Ende der Lehre immer Grund zur Sorge. Aber eigentlich könnte auch alles gut werden.

1. Weihnachtsgeschäft (2006)
Ich sehe die Schülerinnen und Schüler in ihrem 1. Lehrjahr nur 45 Minuten pro Woche. Ich darf deswegen wirklich keine Zeit verplempern, im Gegenteil, ich muss die wertvolle Zeit sinnvoll einsetzen.
Wie letztes und vorletztes Jahr habe ich auch heuer die Lernenden nach den Tops und Flops in ihrem ersten „Weihnachtsgeschäft“ gefragt.
Von jetzt an bis zum Ende des Lehrjahres werden wir uns jede Lektion die ersten fünf Minuten einen Weihnachts-Fall vornehmen. Nicht, dass Buchhändlerinnen und Buchhändlern nur weihnächtens herausgefordert wären, das sicher nicht. Der Dezember ist einfach exemplarisch, weil in kurzer Verkaufszeit praktisch alles Gute und Blöde passiert und die Lernenden es im Januar noch richtig präsent haben.
Es geht also in diesen fünf Minuten jeweils um die Entwicklung von Strategien, die das Positive mehren und das Negative mindern helfen. Daran beteiligen sich in der Regel alle gern und gut, ohne einander zu stören oder zu unterbrechen.
Das ist erfreulicher Unterricht, weil hier die Ratschläge aus der Fachliteratur und die Feed-backs aus der Schulbank so schön übereinstimmen: Alle sind interessiert, weil das alles alltäglich bedeutsam ist. Vice versa.
Ergebnisse 1. Lehrjahr A 2006
Ergebnisse 1. Lehrjahr B 2006
Zum Schulschluss ein Rundgang
Produktekommnikation war heute das Thema in der Verkaufskunde: sachbezogen, kurz und klar.

Eingestiegen sind wir mit einem Vergleich der verschiedenen Weihnachtsbriefe mit Empfehlungen, die Buchhandlungen in dieser Zeit unter die Leute bringen. Das war interessant, weil es in der Schule zur Konkurrenzangelegenheit wird.

Daran ändern auch Buchhandelsketten nichts. Selbst Lernende, die zum gleichen Konzern gehören, grenzen sich gern von den anderen Filialen ab. (Ich bin ohnehin der Überzeugung, dass Lehre ohne Identifikation nicht möglich ist.)

Danach haben wir eine Schaufenster-Tour gemacht. In kleinen Gruppen natürlich. (Sollte ich je den guten Ruf unserer Schule ruinieren wollen, muss ich im Dezember mit analysierenden Azubis die Buchhandlungseingänge versperren.)

Es ist ein schöner Rundgang geworden. Ob er auch seinen Zweck erfüllte, gucke ich dann nach der Hochsaison. Jetzt ist zuerst einmal schulfrei.
Was glücklich macht

Wieder ist ein Monat um und bald ziehen meine Lernenden los ins Weihnachtsgeschäft. Wir hoffen auf Schnee, wie alle, die verkaufen wollen.
Es war eine hektische Zeit, aber wir haben viel geleistet. Zuerst die Nachbearbeitung der Exkursion an die Frankfurter Buchmesse. Danach ging es um Verkaufsargumente am Modell Der Glückliche von Hansjörg Schertenleib. Alle haben das Buch geschenkt bekommen (danke Aufbau!), mussten es lesen und 3-Minuten-Verkaufsargumente generieren. Unabhängig vom eigenen Geschmack natürlich.
Viele ahnen gar nicht, dass sich Buchhandels-Azubis diese Kompetenz schneller angeignen müssen, als das eigentlich möglich ist. Denn wer heute mit 16, 17 Jahren sehr belesen ist, wem Präsentieren und Argumentieren leicht fällt, der macht ein Gymnasium und keine Lehre. Das bedeutet, dass die meisten meiner Lernenden sich neben dem Bewerten und positiven Argumentieren für das konkrete wie das abstrakte Objekt Buch auch noch viel Lese-Erfahrung aneignen müssen. Und das unter einen Hut zu bringen, ist in diesen Zeiten – wo in Buchhandlungen das Personal knapp und die zu betreuende Fläche gross ist – eine Riesenaufgabe. Von den Preisdiskussionen mal ganz abgesehen.
Ich bin stolz auf die Azubis. Sie haben vergangenen Monat gute Arbeit geleistet.
[Den Titel habe ich kurz von a.more.s geliehen. Die Nr. 14 der Serie ist wunderbar. Das Buch dazu ein treuer Begleiter.]
Zum Lachen
Manchmal kann ich mich sogar beim Korrigieren amüsieren. In einem Test habe ich ein Beispiel verlangt, ohne explizit hinzuschreiben aus welchem Lebensbereich es sein muss, was ich sonst stets tue. „Nennen Sie ein weiteres Beispiel aus Ihrem Alltag,“ „aus einer anderen Branche,“ „aus Ihrer Firma“ etc.
Es ging um Verhandlungsgespräche, z.B. an der Frankfurter Buchmesse. Da muss man den Ablauf im Griff haben, sonst wird das nix mit den höhreren Rabatten und den Druckkostenbeiträgen der Verlage für den Weihnachtskatalog der Buchhandlung.
Da korrigiere ich also 20 Beispiele aus dem Berufsleben und ein 21. aus einem völlig anderen Film. (Gemeint ist die Antwort auf die 7. Frage, Publikation durch die Schülerin genehmigt.)
Teile von Geschichte
Im zweiten Lehrjahr vermittle ich das Gigantenthema „Neuerscheinungen“. Da gehört Medienkritik natürlich auch dazu. Heute haben wir den letzten Literaturclub angesehen.
Die Lernenden sind oft sehr jung und schauen erst auf ein kurzes Leseleben zurück. Sie verkaufen neben den Romanen, die in Feuilletons rezensiert werden, sehr viel anderes wie Fantasy-Serien, Non-books (Lillifee), Lebenshilfe, Kochbücher und Reiseführer.
Heidenreich ist für sie einigermassen unterhaltsam, aber den Literaturclub halten die meisten für zu abgehoben. Deshalb ist es eine kleine Herausforderung, ihre Aufmerksamkeit eine ganze Sendung lang zu halten. Einzig konkrete Beobachtungsaufgaben wie „ist die Redezeit fair verteilt?“ können das Einnicken verhindern.
Im erwähnten Literatruclub wurden besprochen:
– Imre Kertész, «Dossier K.», Eine Ermittlung (von Gabriele von Arnim)
– Joachim Fest, «Ich nicht» (von Iris Radisch)
– Philip Roth, «Jedermann» (von Stefan Zweifel)
– John Berger, «Hier, wo wir uns begegnen» (von Peter Hamm)
Die Beteiligung an der anschliessenden Diskussion war freiwillig. Das Gespräch bewegte sich in einem lebhaften, gut moderierbaren Rahmen. Etwa ein Drittel der Klasse nahm aktiv teil, ein Drittel hörte aktiv zu, ein Drittel schien weniger interessiert. Bis eine Schülerin eine entscheidende Feststellung machte:
„Teile von Geschichte“ weiterlesen
Chiropraktik, Buchmesse, Dählhölzli
Es gibt Montage nach Abstimmungswochenenden, da bin ich froh, genügend zu tun zu haben und mich weder der Zeitungslektüre noch der Volksmeinung hingeben zu können.
Als bürogeschädigte Person mit Mausarm bin ich eine regelmässige Nutzerin der Chiropraktik. Da mir neulich zu einer der wenigen Gelegenheiten, an denen ich ein Auto brauche, eine Dame aufgefahren ist, war mein Besuch heute Morgen nicht Prävention sondern Notwendigkeit.
Danach sprintete ich durch Pfützen zurück ins Büro, um das Programm für die Frankfurter Buchmesse fertig zu machen, alles online zu stellen und die freundlichen Verlage noch einmal schriftlich zu verdanken, die meine Schülerinnen und Schüler an ihren Messeständen empfangen werden.
Darauf rannte ich weiter durch den Regen in ein Aussenquartier, um das Kind einer Freundin zu übernehmen, die ihrerseits lossputete, um in einem anderen Aussenquartier Migrantinnen zu unterrichten.
Ich, das Freundinnen-Kind, meine Schwester und meine neue Nichte sind gemeinsam durch die Regenfäden ins Vivarium des Dählhölzlis spaziert und das war wirklich schön! Wir guckten entzückt nach Langhalsschildkröten, unterschieden männliche und weibliche Leguane zweifelsfrei und riefen „jööö!“ bei dem jungen Seehündchen.
Neben uns am museumspädagogisch durchdachten Teich war ein bekannter Politiker gerade dabei, seinem Göttimeitli die Seehundnase zu erklären. Vielleicht konnte er die Überstunden von gestern kompensieren und vielleicht dachte er einfach nur: es gibt Montage nach Abstimmungswochenenden…

Smile 1, 2 (und 3)
Heute war ein pausenloser Tag, doch das Lächeln ist mir weder gefroren noch vergangen. Heute war mein BAM-Tag. Und wie es sich für einen Messe-Junkie gehört, habe ich mich schon eine Stunde vor Türöffnung in die Halle geschlichen und bei den Vorbereitungen zugeschaut.
An unserem Stand lächelten ausnahmslos ehemaligen Schülerinnen von den Plakaten – ein gutes Omen und Beweis für die bei Fotografen beliebte Natürlichkeit der Buchhändlerinnen.

Interessant war es, dem morgendlichen Appell der Gastrosuisse beizuwohnen; stets nett aber streng hat der weibliche Coach die Azubis instruiert, wie sie ihre Berufe zur Geltung zu bringen hätten. Professionell bis ins Mark. Berufsbildungsinteressierte aus Deutschland wissen vielleicht, dass in der Schweiz der Berufsstolz so ziemlich über allem steht, denn Deutschland unterlag der Schweiz an der letzten und vorletzten Weltmeisterschaft. Sogar Korea haben wir geschlagen, allerdings nicht mit Buchhandel.
Für eine Messe wie die BAM werden nicht einfach nur ein paar Prospekte gedruckt und Hostessen angestellt. Am Gastrosuisse-Stand wird gekocht und serviert, bei Kambly wird gebacken und vor der Tür zerlegen die Auto- und Velomechanikerinnen ihre Fahrzeuge und machen neue draus. Die jugendlichen Besucherinnen und Besucher dürfen an dieser Messe Teig rühren, löten, programmieren und frisieren; sie laufen mit Fragebögen von Stand zu Stand und wenn sie ein Beruf fasziniert, kommen sie immer wieder.
Mein Rekord war fünf Mal. So oft verlangte eine Vierzehnjährige nach mir, um noch einmal etwas „ganz konkret zum Buchhandel“ zu fragen. „Lernt man da quer lesen?“ [Ja.] „Kann man für dieses Fach Bi-bli-ogra-fie-ren einen Vorkurs machen?“ [Nein, nicht nötig.] „Muss bei einer Bewerbung nun alles linksbündig sein?“ [Ich würde mir ein aktuelles Buch oder eine Arbeitsmappe besorgen.] „Welches ist die beste Buchhandlung?“ [Das entscheiden Sie.] „Wie viel verdiene ich im 1. Lehrjahr?“ [400.—bis 600.—CHF monatlich.]
Zwischen 9.00 Uhr und 13.00 Uhr hatte ich 42 Kontakte, die meisten mit Kleingruppen. Ich habe bestimmt mit hundert Jugendlichen Gespräche über die Berufe in Buchhandlung, Drogerie und Büro geführt. Und es war genial.
Alle waren hochmotiviert und wissbegierig und stolz. Wie Erstklässler. Als Abwechslung zu den oft gelangweilten, manchmal regelrecht sauertöpfischen Köpfen in meinem Schulzimmer waren die jungen Leute an der BAM ausgesprochen erholsam.
Und dieses Bild ist für Rebecca, Fjolla, Talina, die drei Damen, die unbedingt ins Internet wollten. Voilà!
