Unser Unterricht wird mindestens jedes zweite Jahr von den Lernenden in einer Umfrage beurteilt. Wir Lehrpersonen kriegen dann die Rückmeldung mit Balkendiagrammen und persönlichen Bemerkungen. Das Prinzip mit „immer/oft“ (positiv) „selten/nie“ (negativ) haben wir seit jeher. Nicht unbedingt, weil es völlig überzeugt, sondern damit alle ihre Daten gut vergleichen können.
Neu müssen die Lernenden wenn sie „selten“ oder „nie“ ankreuzen, zwingend das Bemerkungsfeld ausfüllen, was mir viel hilft. Da bei uns die Bemerkungen mit dem Namen der Lernenden versehen sind (automatisch, durch das Einloggen bei der Befragung), finden das nicht alle Befragten gut. Anonymität in Ehren – doch meine persönliche Erfahrung ist, dass ich mich als Lehrerin nicht gut verbessern kann, wenn ich keine Adressaten für Fragen habe. Denn manche Bemerkungen sind einfach nicht klar genug oder müssen persönlich und nicht in der Klasse besprochen werden. Z.B. „ich habe das Gefühl, wir kommen mit dem Stoff nicht durch…“ oder „ich bin bei Ihnen schlechter als bei anderen Lehrern …“
Aber ich glaube, ich hatte noch nie eine Unterrichtsbeurteilung mit so einheitlichen Ergebnissen wie in diesem Jahr. Bei 288 beantworteten Fragen (durch 38 Lernende) habe ich nur zwei „selten“ bekommen. Dass die Hälfte den Unterricht „immer“ abwechslungsreich findet, ist auch ziemlich schmeichelhaft.
Besonders gefallen mir die persönlichen Bemerkungen. Hier eine Auswahl:
Kategorie: Selber lernen
Eigene Schul- und Lernerfahrung
Ergebnisse des Wochenendes
Ich habe viel Neues kennen gelernt und mit der Anwendung schon begonnen.
Leider komme ich nicht dazu, meine Notizen für Dritte brauchbar zu verbloggen. Anderes hat Priorität: Korrigieren, neue Tests und vor allem Abschlussprüfungen schreiben, die Abschlussprüfungen der anderen aus der Fachschaft visieren. Dank diesem Weiterbildungswochende bereits mit verbesserten Methoden. (Denn wenn ich das nicht mache, werde ich nach meinen Ferien von der eigenen Erledigungsblockade erschlagen und die Erholung verflüchtigt sich in wenigen Tagen in Stress, was meinem netten Umfeld nicht zuzumuten ist. Lieber vorher Stress.)
Trotzdem noch kurz, was mir am Inputreferat von Strittmatter besonders gefallen hat, ist die Kritik an den Noten oder vielmehr am Umstand, dass sie häufig kein richtiges Bild der Kenntnisse abgeben. Ich bin keine Freundin dieser Zahlen zwischen 1 und 6, weder als Schülerin, noch als Lehrerin noch als Mutter und Argumente dagegen gefallen mir daher meistens. Hier zwei von Strittmatters Beispielen (in der Schweiz ist die 6 die beste Note):
Die Leistung einer Schülerin zeigt in einem Fach in einem Semster folgendes Notenbild:
5 / 3 / 5 / 3.5 / 4.5 / 3 / 5
Das ergibt im Zeugnis eine 4. Genau das, was sie nie war: genügend. Für die abnehmende Stufe wäre es wohl sinnvoller zu wissen, dass die Schülerin „in ihren Leistungen schwankt“. Eine Lehrperson mit etwas Zeit könnte vielleicht sogar eine Beobachtung darüber festhalten, weshalb.
Ein Schüler zeigt in einem Fach in einem Semester folgendes Notenbild:
2 / 3 / 2 / 4 / 4 / 5.5 / 5.5
Das ergibt für das Zeugnis eine 3.5. Nützlicher wäre es, der nächsten Stufe mitzuteilen, dass dieser Schüler sich in dem Fach problemlos steigern kann. Meiner Erfahrung nach braucht es auch in so einem Fall nicht viele Worte, um ein erheblich genaueres Bild der Leistung zu zeigen.
Vom Lernziel zur Lernkontrolle
Ich packe wieder einmal für das Wochenende in pädagogischer Retraite. Ich freue mich besonders, weil das ein Thema ist, das mich sehr beschäftigt. Sowohl selber, als auch als Vorgesetzte. 2008 ging es um lernförderliches Klima. Das war gut, aber nicht gerade ein Defizit in unserer Abteilung.
Ganz anders jetzt. Ich habe Jahre gebraucht, um taugliche schriftliche Lernkontrollen zu machen und sehe eigentlich bei jeder wieder Verbesserungswürdiges. Und es kommt immer wieder vor, dass ich schlecht korrigierbare Fragen stelle oder bei Fachlehrpersonen, die ich begleite, solche nicht erkenne.
Zum Thema mündliche Abschlussprüfungen habe ich viel Weiterbildung gemacht und deshalb läuft das meistens rund. Ich wurde ziemlich jung als Expertin angefragt und bin heute, wo ich unzählige mündliche Prüfungen erstellen muss, sehr froh um die Erfahrung. Aber die kleinen mündlichen Lernkontrollen, die Bewertung von Kurzreferaten oder die mündlichen Nachholprüfungen, die mangels Schriftlichem noch husch vor Zeugnisschluss gemacht werden müssen: Herausforderung, oft Enervierung.
Heuer haben wir mehrere Workshops geplant, ich kann wählen. Mein Programm sieht so aus:
Samstag
Sonntag
Schönes Wochenende!
Leisure
What is this life if, full of care,
We have no time to stand and stare.
No time to stand beneath the boughs
And stare as long as sheep or cows.
No time to see, when woods we pass,
Where squirrels hide their nuts in grass.
No time to see, in broad daylight,
Streams full of stars, like skies at night.
No time to turn at Beauty’s glance,
And watch her feet, how they can dance.
No time to wait till her mouth can
Enrich that smile her eyes began.
A poor life this, if full of care,
We have no time to stand and stare.
„Leisure“ weiterlesen
Weiterbildung in Faksimile
Das ist das Schöne am Buchhandel: Man kann montags Digitalisierung und mittwochs schon Faksimilierung.
Gestern war ich an einen der seltenen Führungen durch den Faksimile Verlag Luzern. Dies ist die einzige Möglichkeit, die besten Faksimiles der Welt genauer anzuschauen und sogar in die Hand zu nehmen.
Natürlich ist fast alles Betriebsgeheimnis. Zum Beispiel wie der Elfenbeinersatz für die Nachbildung mittelalterlicher Einbandkunst gemacht wird und welche Stickereiwerkstatt die Millimeterfäden für die Replik vikorianischer Einbände zeichnet und der Kundenstamm sowieso. (Das sollte allerdings nicht nur bei Buchkunden, die pro Titel um die 30’000 CHF ausgeben, so sein, sondern ausnahmslos bei allen. Merkt euch das werte Branchenleute, Amen.)
Trotzdem gibt es im Verlag immer noch genug Neues zu erfahren: Handschriften bleiben immer am Ort. Es reisen die Hersteller, niemals das Original. Manche Handschriften dürfen per tesamentarischer Regelung nicht einmal einen bestimmten Raum verlassen. Jede Seite wird unter Sperberaugen der Restaurateure der Biblioteca Apostolica Vatican, des Corpus Christi Colleges, des Schlosses Chantilly und etlicher anderer hohen Herbergen fotografiert. Dass Seiten nicht von selber gerade liegen, weiss jeder. Wie viel es braucht, bis sie es doch tun, fast niemand:
„Weiterbildung in Faksimile“ weiterlesen
Erinnerungen ans Schnuppern
Letzte Woche hatte das Kind Arbeitswoche. Das ist eine Projektwoche, in welcher Untergymnasiasten an einer Stelle ihrer Wahl „schnuppern“ und das Erlebte in einer Semesterarbeit dokumentieren. Das Kind wollte in den Verkauf („nicht Bücher!“). Solche Stellen sind schwer zu finden. Weil diese Schüler keine Lehrstelle suchen, springt für die Geschäfte ausser ein wenig PR nichts raus. Nach einigen Bewerbungen (von der Mutter verdonnert, ganz korrekt mit Lebenslauf und Begleitschreiben) fand das Kind je eine halbwöchige Schnupperstelle bei SportXX und bei Ochsner.
Es war eine lehrreiche Woche, auch für mich. Wer 8-9 Stunden arbeitet, spricht abends im Fachjargon, ich musste oft nachfragen. „Ich habe eine Stunde Damen aufgebügelt, danach zwei Stunden Freizeitschuhe gesichert“ bedeutet, neu eintreffende Frauensportkleider an Bügel und danach an rollbare Kleiderständer zu hängen und Turnschuhe mit einer Diebstahlsicherung zu versehen.
Meine eigene Schnupperzeit ist weit weg. Ich erinnere mich gut an die Praktika, die ich gleich nach der Steiner-Schule bei der Presse gemacht habe. Aber die Wochen und Monate, in denen ich eine Lehrstelle gesucht habe, liegen im Nebel.
Ich habe einen Tag bei einem Anwalt geschnuppert, dessen Namen und Gesicht mir völlig entfallen ist. Ich weiss noch, dass ich dort die Kaffeemaschine nicht bedienen konnte, weil ich damals nur das System Filterkaffee (von Hand abgeschüttet) kannte. Er war höchst ungehalten, dass ich das einzige, was er von einer Schnupperlehrtochter verlagte, (nämlich Kaffe auf seine Bestellung zu richten) nicht beherrschte. Ich bewarb mich danach noch für etliche andere kaufmännische Lehrstellen, aber das meiste habe ich verdrängt. Meine Steinerschulzeugnisse waren Honegger zu unklar, dem Berner Bär waren meine Eltern zu geschieden und die Galerie Kornfeld lobte zwar meine Kunstkenntnis, stiess sich aber am Rest und besonders an meinem Wohnquartier. Bei denen musste sogar die KV-Lehrtochter eine präsentable Adresse haben.
Die Berwerbung und die Schnuppertage in der Buchhandlung gingen mir hingegen leicht von der Hand. Ich packte aus und ein, holte und brachte die Post und half am Ende noch bis tief in die Nacht mit bei einem Büchertisch zu einer überfüllten Lesung mit Niklaus Meienberg („Die Welt als Wille und Wahn“). Es war, als hätte ich nie etwas anderes getan, Meienberg kannte ich schon aus dem WOZ-Praktikum und auch seine Leserschaft war mir vertraut.
Mein zukünftiger Lehrmeister redete kaum mit mir, aber er verspach am Ende der Schnupperzeit, sich bald wegen der Lehrstelle zu melden. Er rief mich einige Tage später an und fragte, was ich nun für Pläne im Leben hätte? Ich wusste nicht recht, was ich antworten sollte, hatte aber auf der Berufsberatung gelernt, dass man keine Gegenfragen stellen dürfe. So entgegnete ich „Buchhändlerin werden“ und das war offensichtlich das Richtige.
Ratschläge verklemmen
Es gab ein paar harte Übungen an diesem Wochenende. Zwei Halbtage haben wir uns allein mit dem Bereich „Erhebung von Anliegen“ befasst;
Wer das alles weiss, kann ca. 1/10 des Klassenklimas beeinflussen. Immerhin.
Das klingt nach Lehrerfortbildung und das war Lehrerfortbildung in Reinkultur, samt Kreisen und Gruppenarbeiten, Präsentationen und Theater.
Für mich waren die „Hebammengespräche“ eine Hard-Core-Übung. Das ging so: Ein Kollege hatte ein Anliegen und ich gab keinen Ratschlag! Ich sollte ihm bloss helfen, sein Anliegen so lange auszuformulieren, bis er so genau wusste, was in einer bestimmten Situation sein Problem war und selbst seine eigene Lösung fand.
Alle hier mitlesenden Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass die meisten von uns endlos viele Tipps geben und erhalten. Die Wirkung von mündlichen Tipps aus dem Lehrerzimmer ist allerdings selten auszumachen. Weil im Bereich „gutes Lernklima“ gibt es nur sehr wenig, was auf viele übertragbar ist. Dreinschlagen nützt bei keinem nachhaltig, positive Formulierungen helfen hingegen allen gegen Widerstände. Aber sonst sind Ratschläge fürs Schulzimmer schlecht übertragbar und wenn, dann bestimmt nicht schnell.
Ich habe mich also den halben Sonntag abgemüht, auf Anliegen einzugehen ohne Ratschläge zu erteilen. „Ratschläge sind Schläge“ – das war im so genannten Workshop tabu. Meine neue Erfahrung ist: man kann das trainieren. Im Alltag heisst das: Gesprächszeit zwischen Kollegen erhöhen und konkrete Tipps reduzieren bringt passendere Lösungen für alle. (Ob das nun ein Forschungsergebnis oder ein verkappter Ratschlag ist, vermag ich nicht zu beurteilen.)
Klima: lernförderlich, Schnee auf 1000 m
Ich packe für ein Wochenende.
Weiterbildung in Unterrichtsangelegenheiten. Die wird mir dank der Bergluft besonders gut bekommen. Ich mag Kurse weg vom Arbeitsort.
Wir sind daran bemüht, unser pädagogisches Leitbild umzusetzen. Morgen geht es um „Klassenführung und lernförderliches Klima.“ Das ist unser Schwerpunktthema im kommenden Schuljahr.
Beschriebung:
Der Unterricht findet in einer lernfreundlichen Umgebung statt. Er ist leistungs- sowie zielorientiert und ermöglicht gemeinsames Lernen dank angemessener Disziplin. Die Lehrpersonen üben ihre Tätigkeit mit Freude aus, begegnen den Lernenden mit Wohlwollen und nehmen ihre Führungsaufgaben wahr. Sie haben eine positive Ausstrahlung, sind humorvoll und gelassen, offen und engagiert. Sie sind für die Lernenden da.
Konflikte werden lösungsorientiert angegangen.
Die Lehrpersonen und die Lernenden pflegen gegenseitigen Respekt und halten Regeln verlässlich ein.
Wirkung:
Die Lernenden sind motiviert, zeigen Interesse und Neugier. Sie erleben, dass Lernen Spass machen kann. Sie nehmen Rücksicht aufeinander und helfen sich gegenseitig.
Ausreden einer Schusterin
Dass des Schusters Kinder vielleicht nicht gerade die schlechtesten, aber bestimmt nicht die besten Schuhe tragen, weiss ich aus eigener Erfahrung, als Kind wie als Mutter. Trotzdem zerknirscht mich mein Verhalten.
Aber heutzutage kann zum Glück schnell rehabilitiert werden, wer brav reflektiert und seine üblen Taten sich und anderen gut erklärt. Dass ich dem Kind heute bei den Hausaufgaben „**ZZ?!!**!!!“ (es will nicht, dass ich hier sage, was) entgegen geschmettert habe, lässt sich an nur zwei Punkten sowohl reflektieren als auch erklären:
1. Ich konnte das Hinausschieben der Arbeit und die Endlosargumentation an-schlechter-Leistung-sind-bloss-die-Umstände-schuld nicht mehr verarbeiten.
2. Das Kind musste als Stellvertreter herhalten.
Es handelt sich eindeutig um ein Abgrenzungsproblem. Einerseits von meinen Arbeitsplatz und andererseits vom Vermischen des Teenagers daheim mit denen in der Schule.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es:
Ich helfe dem Kind in guten Zeiten, seine Sachen selbständig zu machen, was auch bei gegenseitiger Enervierung und Vertreibung nachwirkt. „Hilf dem Kind, es selbst zu tun“ ist aber nicht von mir, sondern von Maria Montessori.
Testbeispiel
Weil die Notenarbeiten vom Semesterende nun durch und die Bewertungen gemacht sind (jedenfalls mehrheitlich – Nachholtests gibt es bis zur letzten Minute), hier wiedermal ein konkretes Beispiel meines Tuns.
Ich finde Erfolgskontrollen herausfordernd und habe lange nicht begriffen, wie viel Zeit sie brauchen. Ich erstelle von einer thematischen Serie mindestens zwei, oft aber vier Tests, weil wir Parallelklassen und enge Schulzimmer haben.
Inzwischen bereite ich die Testfragen laufend nach einzelnen Unterrichtsstunden vor und beginne nicht wie einst im Papierberg nach Ideen zu wühlen, wenn ein Thema abgeschlossen ist. Nur so ist die „Auftragstreue“ – wie das ein geschätzter Kollege nennt -einzuhalten. Denn Unterricht läuft nie genau so, wie man das geplant hat. Hier wird ein Blatt weniger abgegeben, da geht ein Fachwort unter, dort überspringt man einen Abschnitt, weil irgend etwas Aktuelles wichtiger ist.
Wenn ich sage, ich teste in der nächsten Stunde dies und jenes, was wir in der Zeit von dann bis dann durchgenommen haben, ist das nämlich ein Auftrag, den ich erteile und der stimmen muss. Mit mündlichen Noten nicht minder: wenn ich den Auftrag gebe, ein Referat über ein Thema zu halten, dann muss ich die Kriterien vorher mitteilen und mich bei der Bewertung daran halten. Nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch, um mir Diskussionen zu ersparen.
Sicher zeigen Studien, dass altgediente Deutschlehrer mit Kriterienblatt und nach Gefühl auf die gleichen Noten kommen – aber ich bin ja leider kein altgedienter Deutschlehrer.
Testbeispiel.
Mit Lösungen.